(Kommentare: 1)
Verletzungen in der Psychotherapie - die 1. Geschichte
Anja S, die hoffnungsvolle Doktorandin
- Erschienen in:
- Erfahrungen - Was Betroffene berichten
... Ob sie nicht mitkommen wolle, bietet er ihr an. Ihre Doktorandenstelle könne allerdings weder in Köln noch in Barcelona aufrecht erhalten werden.
Anja macht ihm eine Szene, schreit ihn an, wie er denn so etwas Wichtiges einfach so, ohne mit ihr zu reden, entscheiden könne. Er entgegnet ihr, es sei doch von vornherein nur darum gegangen, etwas Spaß miteinander zu haben, die Beziehung sei doch von ihr hoffentlich nicht als etwas Festes gesehen worden. Sie solle doch bitteschön! nicht so hysterisch werden!
Der Retter
Als der Professor zwei Wochen später aus ihrem Leben verschwindet, bricht Anja S. zusammen. Sie weint viel, schafft es nur mit Mühe, ihre kleine Bente zu versorgen. Wenn ihre Tochter im Kindergarten ist, legt Anja sich ins Bett. Manchmal wünscht sie, dass es Bente gar nicht geben sollte, dann könnte sie für immer liegen bleiben.
Dreieinhalb Monate danach beginnt sie eine Psychotherapie, und zwar bei einem Professor W. derselben Uni, der sich als Psychotherapeut einen Namen gemacht hat. Ihre beste Freundin hat den Termin arrangiert. Zuerst weigert sich Anja, dann schöpft sie Hoffnung, als sie erfährt, dass der Behandler ihren Benni kennt. Vielleicht kann er ihn ja umstimmen …
Anfangs fühlt Anja sich von W. angenommen und verstanden. Er stellt ihr viele Fragen, lässt sie Fragebögen ausfüllen, scheint sich um sie zu sorgen, ist einfühlsam.
Die Diagnose
Nach einigen Stunden eröffnet er ihr, dass nunmehr die Diagnostik abgeschlossen sei und die Behandlungsplanung anstehe. Sie leide an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, welche eine schwere Depression ausgelöst habe.
Auf ihre erschrockene Frage, wieso er sie denn für narzisstisch halte, erklärt er: Sie verführen einen sozial weit über Ihnen stehenden Professor.
...
Wie die Geschichte ausgeht, kannst du in der folgenden pdf-Datei lesen.
Und jetzt bin ich gespannt auf deinen Kommentar, den du hier unten eingeben kannst.
Kommentare
Kommentar von Maria |
Unglaublich wie schnell sie als Narzisst abgestempelt worden ist. Meiner Meinung nach das absolute Lieblingswort schlechter Therapeuten. Auch wundert es mich nicht, dass sie keinerlei Chance hatte sich zu wehren. Wenn erst ein Bild da ist, kommt der Patient nicht mehr davon los. Verständnis und Mitgefühl ist plötzlich weg. Nun herrscht Angst und emotionale Erpressung.
Schließlich wird jeglicher Versuch die Sache richtig zu stellen oder einfach nur Antworten zu erhalten, als vergeblicher Versuch gewertet der "richtigen" Diagnose zu entkommen. Aber der Profi hat eine Entscheidung getroffen und der kleine Patient hat dieser gefälligst zuzustimmen. Jegliche negative Reaktion darauf wird als fehlende Einsicht gewertet.
Ich bin erleichtert darüber, dass sie relativ schnell von diesem Tyrann weggekommen ist und frage mich aber doch, wie er damit davon kommen kann. Es hätte so viel schief gehen können. Er wäre dafür verantwortlich gewesen, aber wohl nur zur Verantwortung gezogen worden. Schließlich seht die professionelle Meinung eines Therapeuten über allem. Und wem wird schon eher geglaubt? Dem "Verrückten" oder dem "Profi"?
Danke fürs Teilen!!
Antwort von Michael Mehrgardt
Ja, das ist eine Geschichte, die ich sehr häufig höre: Wenn's in der Therapie nicht weitergeht, wird die Diagnose "Narz. Pers.k.störg." aus dem Hut gezogen. Weil diese als schwer therapierbar gilt, lautet der Subtext dieser Diagnose meist: Der Misserfolg ist nicht meine (Ther.) Schuld, sondern deine (Pat.)!
Siehe auch über die Umkehr von Täter- und Opferrolle: Klaus Schlagmann: Die Narzissmus-Lüge: Über den Missbrauch eines emanzipatorischen Mythos
Es kommt hinzu, dass die offizielle Psychotherapie über keinen erkenntnistheoretischen und ethischen Diskurs verfügt. Dazu habe ich eine Reihe von Artikeln und auch meine Dissertation geschrieben. Auch von der Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus von Karl Popper hat sie sich mE meilenweit entfernt.
Fazit: Niemand stellt sich die Frage: W i e kann ich dies (Diagnose, Deutung, Behandlungsplan ...) eigentlich w i s s e n?
Dazu veröffentliche ich auf diesem Blog später noch einige Beiträge.
Einen Kommentar schreiben